Ansammlung des Urlaubsanspruchs / Untätigkeit des Arbeitgebers und seine Folgen

Bereits in meiner Veröffentlichung vom 04.07.2017 hatte ich problematisiert, was passiert, wenn der Arbeitgeber untätig bleibt und sich der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers ansammelt. Ich hatte Bezug genommen auf ein Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Berlin-Brandenburg, wonach der Arbeitgeber verpflichtet ist, den Urlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz von sich aus zu erfüllen (LAG Berlin-Brandenburg 12.06.2014, 
21 Sa 221/14). Andere Landesarbeitsgerichte und auch das Bundesarbeitsgericht hatten dem widersprochen. Nun hat das Bundesarbeitsgerichts im Falle eines Rechtsreferendars und das OVG Berlin-Brandenburg im Falle eines wissenschaftlichen Mitarbeiters dem EuGH die Fälle zur Prüfung vorgelegt. Die Gerichte wollten wissen, ob das Unionsrecht einer nationalen Regelung entgegensteht, die den Verlust des nicht genommenen bezahlten Jahresurlaubs und den Verlust der finanziellen Vergütung für diesen Urlaub vorsieht, wenn der Arbeitnehmer den Urlaub nicht vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses beantragt hat. Der EuGH hat dies bejaht, somit den Urlaubsanspruch der Arbeitnehmer massiv gestärkt. Denn das Unionsrecht lasse es nicht zu, dass ein Arbeitnehmer die ihm zustehenden Urlaubstage für den nicht genommenen Urlaub automatisch schon deshalb verliert, weil er vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses keinen Urlaub beantragt hat. Diese Ansprüche könnten nur untergehen, wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber z.B. durch eine angemessene Aufklärung tatsächlich in die Lage versetzt worden sei, die fraglichen Urlaubstage rechtzeitig zu nehmen. Dies habe der Arbeitgeber zu beweisen.

Konsequenzen aus dieser Entscheidung:
Nicht genommener Jahresurlaub des Arbeitnehmers sammelt sich an. Auch wenn es in beiden Rechtsstreitigkeiten um Urlaubsabgeltungsansprüche geht – dieser kann immer erst nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht werden und ist auf Geldzahlung gerichtet – ist festzuhalten, dass sich der nicht genommene Jahresurlaub auch über die Verfallsdaten 31.12. bzw. 31.03. des darauffolgenden Kalenderjahres, ansammelt.

Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhöht sich die Urlaubsabgeltung dementsprechend. Dies kann bis zur Grenze der Verjährung (3 Jahre ab Kenntnis der Ansprüche) gehen.

Praxishinweis:
Der Arbeitgeber muss zukünftig gerichtsfest die Mitarbeiter auffordern, ihren Jahresurlaub rechtzeitig zu beantragen, unter Hinweis darauf, dass nicht rechtzeitig genommener Urlaub verfällt. Er muss also dafür sorgen, dass seine Arbeitnehmer ihren Urlaub auch nehmen. Dieser muss so rechtzeitig erfolgen, dass die Mitarbeiter ihren Urlaub noch nehmen können. Für das Jahr 2018, vorausgesetzt, der Urlaubsanspruch verfällt zum 31.03.2019, ist daher Eile geboten. Urlaub erteilen muss der Arbeitgeber auch zukünftig nicht.

Arbeitgeber sollten bei zukünftigen Tarifverträgen ferner darauf aufpassen, dass in der Urlaubsregelung zwischen gesetzlichem Urlaub (bei einer 5-Tage-Woche 20 Arbeitstage) und übergesetzlicher Urlaub (also dass was dazu kommt) differenziert wird. Denn die Urteile

gelten nur für den gesetzlichen Urlaub. Erfolgt jedoch keine Differenzierung, erfährt der übergesetzliche Urlaub die gleiche Behandlung wie der gesetzliche Urlaub.

Ferner ist auf tarifliche Regelungen zu achten.

Bei Mitarbeitern, die schon Arbeitsverträge haben, wäre eine einzelvertragliche Vertragsänderung herbeizuführen. Wenn der Arbeitnehmer nur halbwegs clever ist, wird er sich eine solche Regelung aber »abkaufen« lassen. Wenn ein Betriebsrat besteht, ist dieser ebenfalls einzuschalten.

EuGH, Urteil vom 06.11.2018, C-619/16 und C-684/16

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