Daten-Tracking im Individualarbeitsrecht

Aktualisierte Zusammenfassung eines Vortrages vom 06.06.2018 vor den Arbeitskreisen für Arbeits- und IT-Recht bei dem Berliner Anwaltsverein.

Moderne Überwachungstechniken ermöglichen dem Arbeitgeber nicht nur eine Kontrolle der Mitarbeiter auf dem Betriebsgelände, beispielsweise durch Videoüberwachung, sondern auch außerhalb. Hier kommt die Nutzung von GPS (Global Positioning System-GPS-Track),  in Frage, ebenso aber auch RFID (Radio Frequency Identification). Durch GPS  können Bewegungsprofile erstellt  und Standortbestimmungen mit einer Genauigkeit von unter 10 m erfolgen. Auch können Fahrgeschwindigkeit, die Stand- und Fahrzeiten, sowie die zurückgelegten Kilometer ermittelt werden. Hierdurch werden die Mitarbeiter in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung betroffen. Bei jedem Eingriff in die vorbezeichneten Rechte hat eine Abwägung zu erfolgen: Der Schutz der unternehmerischen Handlungsfreiheit (Art 12 I GG) sowie des Eigentums (Art 14 I GG) des Arbeitgebers gegen das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des AN (Art 2 Abs 1 iVm Art 1 GG), im wesentlichen: das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Dabei handelt es sich um die Befugnis einer natürlichen Person, über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten selbst zu bestimmen. 2015 hat der EuGH die Anwendbarkeit des Datenschutzgrundrechts auf private Datenverarbeitung bestätigt, den „Anspruch auf Vergessen“, konkretisiert.

Die DS-GVO und das BDSG – neue Fassung-, finden auf o.g. Kontrollmaßnahmen Anwendung, weil personenbezogene Daten verarbeitet werden.

Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung durch Tracking

- Im Arbeitsverhältnis ist die Einwilligung des Arbeitnehmers(Artikel 7 DSGVO) nicht durch das bestehende Über-/Unterordnungsverhältnis ausgeschlossen (BAG, Urteil 11.12.2014 - 8 AZR 101/13). Eine Einwilligung darf jedoch nicht verwechselt werden mit "Keinen Protest erheben" (BAG 27.07.2017, 2 AZR 681/16 Keylogger Fall). Sie verlangt klares, bestätigendes Handeln (Erwägungsgrund zur DS-VGO Nr 25).

Die Wirksamkeit einer Einwilligung setzt u.a. die Informiertheit voraus, Artikel 7 Abs. 2, Artikel 13 und 14 DSGVO sowie Freiwilligkeit, Eindeutigkeit, Widerruflichkeit. Bei der Freiwilligkeit ist das sogenannte Kopplungsverbot zu beachten (Artikel 7 Abs. 4 DSGVO).

Die Einwilligung im Beschäftigtendatenschutz richtet sich jetzt nach § 26 BDSG (zuvor § 32 BDSG). Bestehende Einwilligungen gelten, sofern sie "der Art nach den Bedingungen" der DSGVO entsprechen (Erwägungsgrund 171). Hierbei ist aber das Widerrufsrecht nach Artikel 7 Abs. 3 DSGVO zwingend.
- Datenverarbeitung bei berechtigtem Interesse (Artikel 6 Abs. 1 lit. f DSGVO) oder zur Erfüllung eines Vertrages oder vorvertraglicher Maßnahmen (Artikel 6 Abs. 1 lit. b DSGVO). Hierunter fällt auch die Verarbeitung von Beschäftigtendaten. Dies stellt darauf ab, dass die Verarbeitung zur Erfüllung eines zwischen dem Verantwortlichen (hier Arbeitgeber) und den betroffenen Personen (den Beschäftigen) bestehenden Arbeitsverhältnisses erforderlich ist (entspricht § 32 Abs 1 S 1 BDSG aF). Zur Feststellung, ob eine Erforderlichkeit vorliegt, bedarf es einer Verhältnismäßigkeitsprüfung.
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit: Der Eingriff muss geeignet, erforderlich und angemessen sein, um den erstrebten Zweck zu erreichen. Hiebei sind folgende Abwägungskriterien zu beachten: Handelt es sich um verdachtsbezogene - oder um eine Überwachung ohne konkreten Anlass; um verdeckte oder offene Überwachungsmaßnahmen; um solche im offenen oder in geschlossenen Räumen, erfolgte die Überwachung lediglich während oder auch außerhalb der Dienstzeiten. Im Vergleich zu GPS-Ortung und Videoüberwachung ist aber zu berücksichtigen, dass GPS-Ortung weniger einschneidend ist, da nicht belegbar ist, was der Mitarbeiter konkret im Moment der Überwachung tut. Insoweit muss man wohl feststellen, dass in Fällen, in denen Videoüberwachung zulässig ist, dies für die Satellitenüberwachung erst recht geltend muss. Die verdeckte Überwachung ist wegen der Informationspflicht des Datenerhebers nunmehr gemäß Artikel 13 und 12 DSGVO (§ 4 Abs. 3 BDSG aF) regelmäßig unzulässig. Dies gilt nicht bei Verdacht auf Straftaten, wenn weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung ohne Ergebnis blieben (Urteil BAG 21.6.2012 (2 AZR 153/11).

Heute regelt § 26 Abs. 1 Satz 2 BDSG die Datenverarbeitung zur Aufdeckung von Straftaten im Arbeitsverhältnis. Hierfür müssen tatsächliche Anhaltspunkte bestehen, die den Verdacht einer Straftat im Beschäftigungsverhältnis begründen. Hierbei genügt bereits ein Anfangsverdacht, ein dringender Tatverdacht ist nicht erforderlich (BAG, NZA 2017, Seite 443, 2 AZR 395/15). § 26 Abs. 1 Nr. 1 BDSG 2018 ist die allgemeine Eingriffserlaubnis geregelt. Erfolgt die Datenverarbeitung nicht zur Aufklärung einer Straftat, sondern im Hinblick auf eine schwere Pflichtverletzung oder Ordnungswidrigkeit, ist ein Rückgriff auf § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG 2018 möglich (BAG NZA 2017, Seite 1179).
Wenn es dem Arbeitgeber nur um die reine Kontrolle der Lenk- und Arbeitszeiten geht, nicht um eine Standortbestimmung, muss er auf einen Fahrtenschreiber zurückgreifen. Dieses ist gegenüber GPS-Überwachung das mildere Mittel.

Rechtsfolge unerlaubt erhobener Daten

Es besteht kein Automatismus, dass ein Verstoß gegen die Datenschutzbestimmungen die Unzulässigkeit der Beweisverwertung begründen. Nicht alle datenschutzrechtlichen Vorschriften dienen dem Persönlichkeitsrecht.

Zu unterscheiden ist Beweis- und Sachvortragsverwertungsverbot von Beweiserhebungsverbot. Gemäß § 286 ZPO in Verbindung mit Artikel 103 Abs. 1 GG ergibt sich, dass ein Gericht grundsätzlich an den Vortrag der Parteien gebunden ist und die vorgebrachten Beweise zu berücksichtigen hat. Ein Beweis-Sachvortragsverwertungsverbot ist daher eine Ausnahme, die einer gesetzlichen Grundlage bedarf (BAG 13.12.2007, 
2 AZR 537/06), bzw. die sich aus dem Schutzzweck der verletzten Norm ergeben kann. Auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers kann als gesetzliche Grundlage der Beweisverwertung Schranken setzen. Wird eine durch die Beweiserhebung des Arbeitgebers entstandene Persönlichkeitsrechtsverletzung durch die Beweisverwertung vor Gericht perpetuiert, ist die Verwertung verboten.

Das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis wird allerdings nicht schrankenlos gewährleistet. Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers können durch Wahrnehmung überwiegend schutzwürdiger Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sein. Im Einzelfall ist eine Güterabwägung vorzunehmen und zu ermitteln, ob das allgemeine Persönlichkeitsrecht den Vorrang verdient. Dabei ist im Rahmen der Abwägung zu beachten, dass das Grundgesetz einer wirksamen Rechtspflege eine besondere Bedeutung beimisst. Um die Wahrheit zu ermitteln, sind die Gerichte deshalb grundsätzlich gehalten, den von den Parteien in den Prozess eingeführten Vortrag einerseits und gegebenenfalls die angebotenen Beweismittel andererseits zu berücksichtigen. Diese Aspekte können als Bestandteil der verfassungsgemäßen Ordnung das allgemeine Persönlichkeitsrecht beschränken. Allerdings reicht allein das allgemeine Interesse an einer funktionsfähigen Zivilrechtspflege nicht aus, um im Rahmen der Abwägung stets von einem gleichen oder gar höheren Gewicht ausgehen zu können, als es dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht zukommt. Gleiches gilt für das Interesse, sich ein Beweismittel für zivilrechtliche Ansprüche zu sichern. Vielmehr müssen weitere Aspekte hinzutreten, die trotz der Persönlichkeitsbeeinträchtigung eine bestimmte Informationsbeschaffung und Beweiserhebung als schutzbedürftig qualifizieren. Es kann Situationen geben, in denen sich der Beweisführer in einer Notwehrsituation oder in einer notwehrähnlichen Lage befindet (vgl. BAG 13.12.2007, 2  AZR 537 / 06 Rz. 34 ff. und BAG 21.06.2012, 2  AZR 153 / 11, zur verdeckten Videoüberwachung).

Das wohl aktuellste Urteil zum Thema Verwertungsverbot datiert vom 23.08.2018: Das BAG bestimmt, dass die Speicherung von Bildsequenzen aus einer rechtmäßigen offenen Videoüberwachung, die vorsätzliche Handlungen eines Arbeitnehmers zu Lasten des Eigentums des Arbeitgebers zeigen, nicht durch bloßen Zeitablauf unverhältnismäßig werden, solange die Ahndung der Pflichtverletzung durch den Arbeitgeber arbeitsrechtlich möglich ist (BAG 2 AZR 133/18

Bei Zufallsfunden gilt Folgendes: Bei Einhaltung der Voraussetzungen gegenüber dem Arbeitnehmer, gegen den sich der Verdacht ursprünglich richtete, kann ein Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht des dann ermittelten Arbeitnehmers zulässig, rechtliche Maßnahmen gegen diesen hierauf gestützt werden (BAG 22.9.2016, 2 A/ZR 848/15).

Rechtsanwalt Martin Sundermann
Fachanwalt für Arbeitsrecht

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